Berufung lohnt sich!

In zweiter Instanz konnte ich für den Mandanten endlich den langersehnten Freispruch erstreiten.

 

Das Amtsgericht Tiergarten wird unter Strafverteidigern oft als "Verurteilungsmaschine" bezeichnet. Ich kann das so pauschal nicht bestätigen, es gibt dort viele RichterInnen, die sich große Mühe beim Aufklären von Sachverhalten machen und alle denkbaren Beweise ausloten. Vor allem dann, wenn der weitläufig bekannte Grundsatz "in dubio pro reo" bei der Urteilsbegründung Anwendung findet, freut man sich - auch und gerade als Strafverteidigerin. Es ist nämlich leider gerade nicht so, dass RichterInnen bei jedem Schuldspruch ihre Hand in das Feuer legen würden. Dennoch wird verurteilt, weil man den Anklagevorwurf für wahrscheinlicher hält, als das vom Angeklagten behauptete Alternativgeschehen.

 

So auch in dem vorliegenden Fall, in dem es - ohne Details zu nennen - um einen wenig schönen Vorwurf handelte. Mein Mandant hat die Schuld aber immer von sich gewiesen und - auch wenn es darauf in meinem Beruf nur am Rande ankommt - ich habe ihm dies trotz schwieriger Beweislage geglaubt. Anders das Amtsgericht, welches ihn nach nur zwei Verhandlungstagen zu einer nicht mehr bewährungsfähigen Freiheitsstrafe verurteilt hat. Da nützt dann auch ein "Entgegenkommen" des Gerichts im Hinblick auf wenige Monate nicht mehr. Mit Haftantritt gerät das Leben der Betroffenen aus der Bahn.

 

Die Berufungsverhandlung vor dem Landgericht erstreckte sich dann über sechs Tage. Auch keine besonders umfangreiche Verhandlung, aber doch ein großer Unterscheid zur ersten Instanz. Es wurden viele Fragen und - von mir - Beweisanträge gestellt. Teilweise wurde es laut und unübersichtlich. Trotz der immer gebotenen emotionalen Distanz zu beruflichen Fällen kommt es vor, dass man sich abseits des beruflichen Ehrgeizes Gerechtigkeit wünscht und dabei in Anbetracht von lügenden Zeugen, voreingenommen Gerichten und Ermittlungsbeamten sowie ungenauen Sachverständigen  zum Teil nah an die Grenze zur Verzweiflung kommt. Aber genau das kurbelt oft die besondere Motivation an und lässt einen auch außerhalb des Gerichtssaals nicht los.

 

Wenn dann am Ende der erlösende und gerechte Freispruch folgt, fühlt sich das tatsächlich wie ein Sieg an. Dann hat sich der Weg gelohnt.